Irgendwann haben Menschen bei einem neuen Projekt festgestellt, dass sie mich brauchen. Es wurde hin und her entwickelt und modelliert. Und dann stand fest: Ich werde gebaut. Die Menschen, die sich das Ganze ausgedacht haben, waren aber gar nicht in der Lage, mich auch zu bauen. Also wurden Partner gesucht, die diese Aufgabe beherrschen. Hier wurde dann auch viel miteinander diskutiert, Veränderungen eingebracht und dann ging es daran, meinen Wert zu ermitteln. Auch das war ein hartes Ringen, denn der zuerst genannte Wert kam so gar nicht in Frage. Es wurde so lange an der Art und Weise, wie ich sein sollte getüftelt, bis die Ansprüche und der Wert in einem Einklang standen. Und dann ging es los.
Es wurde noch ganz viel über mich gesprochen bis man dann in die Konstruktion eingestiegen ist. In dieser Zeit stand ich absolut im Mittelpunkt. Es war, als drehe die Welt sich nur um mich. Die Menschen haben sogar Methoden erdacht, wie schon im Vorfeld meine Geburt durchgespielt werden kann, und sie bei diesem Vorgang noch Fehler in ihren Gedankengänge erkennen können. Toll!
Die nach 2 Wochen fertige Konstruktion musste dann mit den Partnern, die mich erdacht haben, abgestimmt werden und nach kleinen Runden, in denen noch Dinge verändert wurden, gab es eine Freigabe. Ich dachte: Jetzt geht es aber richtig los!
Aber ganz so war es dann doch noch nicht. Es galt jetzt erst mal sehr viel Material einzukaufen und alle Arbeitsschritte, die die Konstruktion sich ausgedacht hatte, zu planen. Ich habe gar nicht gewusst, dass es so aufwendig sein würde, mich zu erschaffen. Ein bisschen traurig war ich auch, weil ich jetzt nicht mehr so im Mittelpunkt stand. Jetzt war das „Bearbeiten“ der Mittelpunkt des Denkens.
Nachdem alles geplant war, fing die reine Arbeit dann irgendwann doch an: Es wurde gebohrt, gefräst, geschliffen und erodiert was das Zeug hält. Aber vor lauter Geschäftigkeit hat man mich manchmal aus dem Auge verloren. Gut, dass es immer wieder Menschen gab, die auf all die Arbeiten geschaut und eingegriffen haben, wenn etwas scheinbar aus dem Ruder lief. Dann wurde verändert, noch mehr optimiert und manchmal auch Teilbereiche nochmals komplett neu gebaut, weil der erste Versuch nicht zu gebrauchen war. Ich sollte schließlich richtig gut werden!
Und dann kam der Tag, mit den letzten Anpassungen und schließlich wurde die letzte Schraube eingedreht. Die Werkstatt vermeldete: „Wir sind fertig.“ Als ich mir angesehen habe, was da am Ende entstanden ist, war ich enttäuscht. Ich hatte mir meine Geburt und den Weg dorthin irgendwie romantischer vorgestellt!
Wir unternahmen dann eine kleine Reise. An dem Ort, zu dem wir kamen, wurde das gebaute Teil in eine noch größere Maschine eingesetzt. Heute waren auch Menschen da, die ich vorher noch nicht gesehen habe. Das sind sicher die, die mich erdacht haben und die noch viel mit mir vorhaben.
Auch jetzt wurde wieder viel überlegt und geplant, um das Ergebnis jetzt nicht auf den letzten Metern zu vergeigen. Da hörte ich schon leise Stimmen, die meinten: Das muss aber später alles viel schneller gehen. Also, entschuldigen Sie mal, das hier ist meine Geburt. Da darf man ruhig mal etwas länger nachdenken und sich in Geduld fassen.
Irgendwer hat dann noch einen Sack mit Material an die Maschine gebracht und dann war mir klar, jetzt wird es ernst. Ich fühlte mich erst mal richtig eingeengt, dann floss das Material in meinen bisher nur aus Geist bestehenden Körper. Ich spürte, wie sich meine Formen bildeten. Der Druck, den ich aushalten musste, war gewaltig. Und gerade als ich mich beschweren wollte, dass es jetzt ein bisschen zu viel wird, fiel ich mit einem „Plopp“ aus der Maschine.
Viele Augenpaare fixierten mich. Oh – wie ich es liebe die volle Aufmerksamkeit zu haben. Ich ließ meinen Blick in die Runde gleiten. Lauter zufriedene Gesicht. Da wusste ich: Ich bin gut geworden.
O.K. da waren leise Stimmen, die von der einen oder anderen Optimierung sprachen, aber als man beschloss gleich noch weitere Geschwister herzustellen, wurde ich in meiner Meinung bestätigt: Ich bin gut. Meine Geschwister sollten dann mit den Menschen, die noch was mit uns vor haben, auf die Reise gehen, um als Muster oder für Testzwecke Verwendung zu finden. Den Gesprächen habe ich entnommen, dass in naher Zukunft meine Familie täglich um Tausende von Mitgliedern wachsen wird. Und ich wünsche mir, dass alle die Aufgabe in der Welt der Menschen so gut erfüllen, wie es meine Erbauer getan haben.
Ich habe mich in meinem gesamten Werdegang bis zur Geburt großartig betreut gefühlt. …
dein Kunststoffteil
Nachdem ich diesen Text geschrieben habe fällt mir auf, dass ich einiges mit einem Kunststoffteil gemein habe. Auch ich bin erdacht von einem Schöpfer, der sich lange bevor ich ins Leben gekommen bin, schon mit mir beschäftigt hat. Und um mich zu erbauen, brauchte er keine Partner. Er waren lediglich menschliche Erfüllungsgehilfen nötig. Alles andere war absolute „Chefsache“. Und auf den ersten Seiten der Bibel lesen wir, dass Gott nach der Erschaffung des ersten Menschen am 6. Tag der Schöpfung sein gesamtes Werk betrachtet hat und es siehe es war „sehr gut“. Also bin auch ich, die ich der Feder dieses Schöpfers entspringe „sehr gut“, ganz egal wie ich mich gerade fühle.
Dann habe ich also gelebt. Ich habe nicht verneint, dass es einen Gott gibt, aber das ich mit diesem in einer Beziehung leben darf. Das habe ich lange nicht verstanden. Ich musste erst 46 Jahre alt werden, um zu erkennen, was Jesus für mich getan hat und das ich durchaus seine Hand ergreifen darf und mit ihm durchs Leben gehen darf- in einer richtig guten Beziehung. Wie groß war die Freude – ja eine wahre Euphorie – diese neue Art des Lebens zu genießen. Blicken wir zurück auf das Kunststoffteil. Das ist die Zeit der Entwicklung, der Planung und der Konstruktion das ständige Auseinandersetzen mit der Aufgabe. Es – und damit bei mir die Beziehung – stand einfach für eine begrenzte Zeit im absoluten Mittelpunkt.
Aber dann – ja dann schlug das „Leben“ wieder zu. Es gab ja so viel außer dieser Beziehung zu tun. So viele Anforderungen, die zu erfüllen sind, so viele Aufgaben, die erledigt werden müssen. Ich bin in Aktionismus verfallen und allein losmarschiert. Ich schaffe ja auch ganz viel selber. Bin sozusagen eine „Macherin“. Nach Gott habe ich in dieser Zeit nicht viel gefragt. Zurück zum Kunststoffteil: die Zeit des Bohren, fräsen, schleifen etc. Aber immer dann, wenn plötzlich die Dinge nicht gut laufen, ich selber nicht mehr weiter weiß, dann fällt mir die Hand wieder ein und ich greife zu und gehe gemeinsam mit Jesus durch die Krise. Erstaunlicherweise ist es immer aber auch schon passiert, dass ich auch in guten Zeiten das Gefühl hatte, es ist alles toll aber irgendwas fehlt. Auch dann hilft mir die ausgestreckte Hand weiter. Ich werde wieder neu „geerdet“.
Und während ich das so schreibe stelle ich fest, was in jedem Fall göttlich ist: das ist die ausgestreckte Hand, die egal wie weit ich mich entferne, egal welche Schuld ich auf mich lade die einzige Konstante ist, die immer auf mich wartet. Menschlich dagegen ist es, die Hand immer wieder loszulassen, um allein unterwegs zu sein. Da kann ich mir auch so fest vornehmen, beim nächsten Mal bleibe ich dran – es klappt einfach nur eine begrenzte Zeit – .
Und genau wie das Kunststoffteil es sich gewünscht hat, darf auch ich unterwegs sein und erzählen von dem großen Schöpfergott, mit dem ich – aber auch alle anderen Menschen – unterwegs sein dürfen. Ich soll erzählen, was ich mit ihm alles erlebt habe. Das tue ich gern in den vielen Texten, die ich zu diesem Thema schon geschrieben habe und sicher auch weiterhin schreiben werde.
Gabriele Quast